Kaum einem Saarbrücker unbekannt ist die so genannte Figur des geizigen Bäckers an der Schlossmauer und die Sage, die sich dahinter verbirgt. Wer sich Figur und Geschichte genauer anschaut, der wird schnell einige berechtigte Zweifel an der Wahrheit der Geschichte bekommen, doch gerade das macht sie ja so schön.
Geiziger Bäcker an der Saarbrücker Schlossmauer
Die Sage ist schnell erzählt. [1], [2] In Saarbrücken gab es einen Bäcker, der reich und ein echter Geizhals war. Auch in schlechten Zeiten, in denen viele Saarbrücker hungerten blieb er hartherzig und rückte niemals Brot ohne Bezahlung heraus. Eines Tages wies er eine Mutter ab, die den Bäcker um Altbackenes für Ihre Kinder gebeten hatte. Sie ging in ihrer Verzweiflung zum Schloss und beklagte sich bei der Saarbrücker Gräfin.
Die Gräfin sorgte sich sehr um ihre Bürger und konnte nicht glauben, dass ein reicher Saarbrücker Bürger so mitleidlos handeln könne. Um sich selbst zu überzeugen, verkleidete sie sich als arme Frau und bat den Bäcker demütig und bescheiden um ein kleines Stück Brot. Sie wurde von dem hartherzigen Geschäftsmann ebenso abgewiesen wie alle anderen Bettler vor ihr.
Die Gräfin war schwer erzürnt über das Verhalten des Mannes. Zur Abschreckung und zur Strafe ließ sie den Kopf des Bäckers in Stein zu hauen, der gut getroffen an der Schlossmauer (Kaimauer) neben der alten Brücke angebracht wurde und von dort mit weit geöffneten Mund das Schmutzwasser der Stadt in die Saar speien musste.
Leider stimmen nicht besonders viele Fakten mit der Wirklichkeit überein. Im Jahr 1999 hat Alfons Kolling Ursprung, Aussehen und Funktion der Fratze entschlüsselt. [3] Aber fangen wir zunächst einmal damit an, was richtig ist. Wahr ist, dass die Fratze an der Schlossmauer neben der alten Brücke hing und zwar bis in die 1960er Jahre. Dann wurde sie gemeinsam mit der gesamten Mauer entfernt. Im Zuge des Baus der Stadtautobahn wurde der gesamte Schlossberg zum Bau der Straße um bis zu 17 Meter zurückgesprengt. Die heutige Schlossmauer an der Franz-Josef-Röder-Straße ist lediglich eine Verkleidung des abgesprengten Schlossbergs, bei dem teilweise die Steine der alten Schlossmauer verwendet wurden.
Der Fratze die Funktion eines Wasserspeiers zuzusprechen wird allerdings schon schwieriger. Denn obwohl sie aussieht wie eine Teufelsfratze, wie sie schon an gotischen Kathedralen als Wasserspeier üblich waren [4], ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie diese Funktion jemals ausgeübt hat. Sie hing tatsächlich an der Mauer neben der alten Brücke, jedoch direkt über dem Treidelpfad, also dem Fussweg entlang der Saar. Sollte jemals Wasser durch das Maul geschossen sein, so ist dies für die darunter her flanierenden Saarbrücker mit Sicherheit alles andere als angenehm gewesen. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass sie je an eine Kanalisation angeschlossen gewesen sein kann, da die Kai- und Schlossmauer wohl 4,60 m dick war. Als der Kopf Ende der 1990er Jahre restauriert und begutachtet wurde konnte man feststellen, dass das Innere des Kopfes nicht so konstruiert ist, dass man hier ein Wasserrohr hätte anbringen wollen. Vielmehr ist er angelegt als Schieß- und Spähscharte und ist relativ eindeutig als Teil des Saarbrücker Renaissanceschlosses (das Schloss, welches vor dem heutigen Bau auf dem Schlossberg stand) zu identifizieren.
Dass die Fratze den Teufelsfratzen gleicht, die in vielen Jahrhunderten als Wasserspeier, Schießscharten oder Spählöcher verwendet worden legt auch nahe, dass es sich nicht wirklich um die Abbildung eines (des) Bäckers handelt. Wir bei Teufelsfratzen üblich (und bei Bäckern eher unüblich) sind die spitzen, zottelig haarigen Ohren beispielsweise eher denen eines Tiers. Genau genommen handelt es sich auch nicht um eine Teufelsfratze, sondern um die Abbildung eines Silen (ein dem Gott Dionsysos nahestehender, dickbäuchiger Waldgeist). Aber das führt jetzt zu weit.
So ist letztendlich noch zu klären, wie die Spähscharte vom Saarbrücker Renaissanceschloss an die Kai- und Schlossmauer kam. Wie so vieles in der Geschichte Saarbrückens hat dies mit dem Saarbrücker Fürsten Wilhelm Heinrich und seinem Stararchitekten Friedrich Joachim Stengel zu tun. Zwar ist nicht bekannt, wer den Kopf nun tatsächlich an bzw. in die Kaimauer versetzt hat. Der Abbruch des Renaissanceschlosses wurde jedoch von Wilhelm Heinrich beschlossen und von Friedrich Joachim Stengel umgesetzt.
Ob die Geschichte jedoch so nun stimmt ist ebenfalls nicht sicher. Im Internet beruft sich Dr. Eckart Sander in seinem Artikel auf gute Argumente von Professor Dieter Heinz von der HBK Saar, nach welchen der Kopf sehr wohl als Wasserspeier gedient haben könnte und eher aus dem Meisel eines barocken Bildhauers stammen könnte als von einem Künstler der Renaissance. [5]
Wie dem auch sei. Ein Bäcker ist es wohl auf keinen Fall. Doch ist es ein Glück für Saarbrücken und seine Geschichte, dass die so genannte Bäckerfratze heute noch erhalten ist. Denn nachdem sie einmal schon gerettet und in die Kaimauer verbracht wurde, so wurde sie beim Bau der Stadtautobahn ein weiteres Mal gerettet und in an Ihren heutigen Standort in der Schlossmauer gesetzt, dank einer Förderinitiative des in den 1960er Jahren im Amt weilenden Stadtverbandspräsidenten Karl Heinz Trautmann. Ein großer Spender für die Förderinitiative war damals übrigens die Saarbrücker Bäckerinnung. [3, S. 2]
Quellenangaben und Anmerkungen
[1] vgl. Lohmeyer, Karl: Die Sagen der Saar; Gesamtausgabe; Geistkirch-Verlag, Saarbrücken 2011, S. 135.
[2] vgl. Zinßmeister, Deana: Sagenhaftes Saarland, Sagen und Mythen aus der Region; Conte-Verlag, Saarbrücken 2012, S. 7-13.
[3] Alle hier aufgezählten Fakten soweit nicht anders markiert vgl. Kolling, Alfons: Der geizige Bäcker – eine Schreckmaskenskulptur vom Saarbrücker Renaissanceschloß, kein Verlag, Saarbrücken 1999.
[4] vgl. Rolshausen, Martin: Am Schloss: Die „Geiz ist geil“-Fratze, in: Saarbrücker Zeitung, 27.07.2015, URL: http://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/saarbruecken/saarbruecken/Saarbruecken-Bettler-Herrscherinnen-Hungersnoete-Maenner;art446398,5835716, abgerufen am 16.12.2016.
[5] Sander, Eckardt: Der geizige Bäcker, eine Legende?, URL: http://www.dinkhoff.de/saarbruecken/geiziger_baecker/geiziger_baecker.html, abgerufen am 16.12.2016.